Digitalisierungsschub und Bürokratieabbau nötig
Berlin, 6. Juli 2022 – Die Pandemie und der Krieg in der Ukraine sorgen weiter für angespannte globale Lieferketten. Flugverbote, eine starke Nachfrage nach Frachtkapazitäten und nicht zuletzt Containerstaus in der Seefracht sorgen dafür, dass der Luftfracht eine noch größere Bedeutung für die Versorgung zukommt. Doch der Fachkräftemangel macht der Branche zu schaffen. Der Aircargo Club Deutschland (ACD) traf sich in Berlin und sprach mit Vertretern der Branche über Herausforderungen und Perspektiven für die deutsche Luftfrachtbranche in Zeiten der Krise.
Trotz abflauender Corona-Krise steht die Luftfrachtbranche weiterhin vor großen Herausforderungen. Vor allem der Krieg in der Ukraine führt zu weitreichenden Veränderungen in der Weltluftfahrt. Rund ein Fünftel der gesamten Luftfracht von und nach Deutschland kommt aus Asien. Doch durch Sanktionen müssen europäische Frachtairlines Umwege fliegen, die laut Markus Burchard, Senior Director Sales Frankfurt bei der Lufthansa Cargo, jede Reise um bis zu zwei Stunden verlängern. Höherer Treibstoffverbrauch, der zu einer verringerten Ladekapazität von bis zu 20 Prozent führt, macht Luftfrachtkapazitäten noch rarer und teurer. Darüber hinaus kommen die Sanktionen beispielsweise internationalen Fluggesellschaften zugute, die weiterhin den russischen Luftraum überqueren dürfen. Dies verschafft ihnen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren europäischen Konkurrenten.
„Schon die vergangenen zwei Jahre erforderten größtmögliche Flexibilität der Fluggesellschaften. Allein 2021 mussten wir fast 400 Flugpläne veröffentlichen, um uns der Situation anzupassen“, erklärte Markus Burchard in Berlin. Doch die Pandemie führte nicht nur zu einem Boom von Luftfrachtsendungen, sie trieb auch die Digitalisierung in einem beispiellosen Tempo voran. Dr. Andreas Schröter, Geschäftsführer der Customs Support Group, sagte, dass Digitalisierung vor allem dabei helfe, um Prozesse zu beschleunigen und auch Personal effizienter einzusetzen. „Die Luftfracht hat lange gebraucht, um die Digitalisierung voranzutreiben. Doch wir sehen spätestens seit der Pandemie, dass es hier große Fortschritte beispielsweise im Zollbereich gegeben hat. In den nächsten vier bis fünf Jahren werden die Prozesse noch weitaus digitaler gestaltet werden. Hier setzt auch die Bundesregierung wichtige Anreize“, so Schröter. Markus Burchard ergänzte: „Neben der Digitalisierung von Frachtbriefen, wickeln wir mittlerweile Frachtbuchungen zu 90 Prozent über digitale Plattformen ab. Dies beschleunigt den Prozess und reduziert Fehlerquellen.“
Auch Jens Oechler, Geschäftsführer der Prime Aircargo Services GmbH, bestätigte, dass Digitalisierung dabei helfe Personal effizienter einzusetzen. „Die Frachtabfertigung ist nach wie vor ein Peoples-Business. Jedoch ist es derzeit eine große Herausforderung, geeignetes Personal zu finden“, erklärte Oechler. Die Luftfrachtexperten in Berlin waren sich einig, dass der Personalmangel derzeit das dringendste zu lösende Thema der Branche ist. Viele Beschäftigte in der Luftfahrt konnten während der Pandemie nicht gehalten werden und sind beispielsweise Jobs im Einzelhandel gewechselt, die keine Schichtarbeit erfordern und auch körperlich weniger anstrengend sind. Verschärft wird die Situation laut Oechler durch die lange Vorlaufzeit: Bewerber müssen größtenteils zwei bis drei Monate gehalten und vorab qualifiziert werden, um eine Zulassung zum Arbeiten in sicherheitssensiblen Bereichen eines Flughafens zu erhalten, bevor sie letztendlich von den Unternehmen eingestellt werden können.
Prof. Dr. Christopher Stoller, Präsident des Aircargo Club Deutschland, appellierte, dass hier die Politik gefragt sei, damit der Standort Deutschland, keine Fracht verliert. „Die Luftfracht hat während der Pandemie einmal mehr ihre Wichtigkeit bewiesen. Doch nun stehen wir erneut vor großen Herausforderungen. Entscheidungen müssen viel schneller getroffen und bürokratische Hürden wo immer möglich abgebaut werden, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.“